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6.1.3.2. Ergebnisse
 
Ich möchte nun mit den Ergebnissen der ersten Themenkategorie, der von den Interviewten selbst erwähnten Themen, beginnen. Ich werde nur Themen anführen, die von mindestens drei verschiedenen Personen angesprochen wurden. Die konkreten Zitate der Interviewten zu den einzelnen Themenbereichen sind im Anhang 1 nachzulesen.

A1. Erreichbarkeit (5 Personen)
Das wohl am häufigsten angesprochene Thema ist die Erreichbarkeit. Der Programmierer hat es zwar nicht direkt angesprochen, doch interpretiere ich die Tatsache, dass er den IM „pausenlos“ einsetzt und ohne IM „gar nichts ginge“, dahingehend, dass die Erreichbarkeit eine Selbstverständlichkeit für ihn ist. So gut wie alle Befragten sehen in der Erreichbarkeit den Hauptnutzen des Instant Messangers. Dieses Thema basiert ausschließlich auf der Funktion der „presence awareness“ eines Instant Messangers und betrifft daher Chat-Kommunikation nicht im Allgemeinen. Viele andere Nutzungsargumente basieren aber genau auf dieser Funktionalität. Das spontane Einholen von Kurzinformationen wäre ohne „presence awareness“ nicht möglich. Auch die Anbahnung eines Gesprächs, das dann am Telefon oder von Angesicht zu Angesicht weitergeführt wird, bedarf dieser Funktion. Aus den Aussagen der Interviewten geht auch klar hervor, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass die Erreichbarkeit im IM besser ist als über das Telefon.

A2. Kurzinformationen (6 Personen)
Alle Interviewten bis auf den Programmierer haben hervorgehoben, dass sie den Chat für das Weiterleiten oder Erfragen von kurzen Informationen nutzen. Manche sahen darin sogar den einzigen Nutzen. Zu erkennen ist, dass die wenigsten Interviewten den Chat noch für andere Zwecke verwenden. Wie unter Punkt 7 „Wechsel zwischen Kommunikationsmitteln“ nachzulesen ist, werden Gespräche über komplexe Themen nicht im Chat zu Ende geführt, da der Schreibaufwand im Gegensatz zur Verständlichkeit zu hoch wird.

A3. Speichern (6 Personen)
Vier Personen haben von sich aus dieses Thema angeschnitten. Zwei davon sehen diese Funktion als sehr wichtig an und nützen sie ständig. Für den einen bedeutet es eine wesentliche Erleichterung für die verlangte Projektdokumentation. Der andere nutzt die gespeicherten Chat-Gespräche über Softwareprobleme, um diese bei ähnlichen Anfragen „1:1 weiterzuschicken“. Der Dritte sieht die Speicherfunktion als Garantie für den unproblematischen Umgang im Chat, denn was man sagt das „pickt“ im Chat, „weil das kann man rausspeichern“. Der Vierte steht dem Abspeichern von Chat-Gesprächen sehr kritisch gegenüber. Er weiß nicht, wie er sich ein Chat-Gespräch in geeigneter Form abspeichern soll, im Gegensatz zu seinen E-Mails. Drei der Interviewten geben an, dass sie die Speicherfunktion nur sehr selten anwenden, da die meisten, wichtigen Commitments üblicherweise per E-Mail kommuniziert werden.

A4. Smileys (5 Personen)
Symbole wie Smileys haben in der synchronen Schriftsprache eine zentrale Bedeutung. Ich betrachte Smileys als eine Kompensation von nonverbalen Kommunikationselementen, die der Schriftsprache vollständig fehlen. Nicht alle, aber einige davon sind jedoch notwendig, um sich unmissverständlich zu verständigen. Im privaten Umfeld, in dem sich Chat etabliert hat, gehören Smileys zum allgemeinen „Chat-ABC“. Diese Ausdrucksform hat jedoch eine sehr persönliche bis fast verniedlichende Qualität. Eine Qualität, die nicht jeder in seinem Kommunikationsstil einzusetzen pflegt. Dies spiegelt sich auch in den Kommentaren zweier Interviewpartner wider. Vielleicht bedarf es einer eigenen Chat-Symbolik für die formelle Arbeitswelt, damit sich die Chat-Technologien auch dort vollständig durchsetzen können.

A5. Essen vereinbaren (4 Personen)
Immer wieder wird als Beispiel für ein Chat-Gespräch das Vereinbaren eines Essens gebracht. Bei zweien handelt sich sogar um das vorrangigste Beispiel. Das Vereinbaren von einem gemeinsamen Essen ist sogar der Grund dafür, ausnahmsweise die Gruppenfunktion zu nutzen. Ich sehe dies als Zeichen dafür, dass es informeller Themen bedarf, um die Kritische Masse einer IM-Nutzung aufrecht zu erhalten. Nicht jeder Mitarbeiter braucht für seine konkrete Arbeit den ständigen Einsatz eines Instant Messangers. Es bedarf daher anderer Gelegenheiten, damit dieses Kommunikationsmittel dauerhaft im Einsatz bleibt. Nach meinem Ermessen sind Essenstermine die noch am stärksten akzeptierteste Form von informeller Kommunikation und haben daher einen bedeutenden Stellenwert. Ansonst wird informelle Kommunikation im Allgemeinen, wie ich zuvor schon Herbsleb (2002) zitierte, nicht als eindeutiger Nutzen bzw. Notwendigkeit anerkannt.

A6. Nebenbei etwas anderes tun (4 Personen)
Die Handhabung eines Instant Messangers im Vergleich zu Telefon und persönlichen Gesprächen verbraucht relativ wenige Ressourcen. Es ist nicht notwendig, von seinem Arbeitsplatz aufzustehen, man muss nicht erfolglos das Telefon bedienen und sich immer wieder daran erinnern, einen weiteren Kontaktaufnahmeversuch zu starten. Beim Instant Messanger kann man die Aufmerksamkeit auf der Arbeitsunterlage Bildschirm belassen und es genügt ein Kontaktaufnahmeversuch. Ferner muss man nicht den Moment genau abwarten, wann ein Gesprächspartner reagiert. Das Eintreffen von Reaktionen ist auch schwieriger abzuschätzen, da ein Schreibprozess länger dauert als sprechen und man auch erst etwas davon wahrnehmen kann, wenn der Beitrag fertig getippt wurde. Beim Chatten per IM sind Zeitverzögerungen relativ unproblematisch und haben keinen Gesprächsabbruch zur Folge. Dieser geringe Ressourcenverbrauch macht es möglich, dass man neben dem chatten manchmal auch noch anderen Tätigkeiten Aufmerksamkeit schenken kann. Es kommt auch vor, dass, wenn man sich von sonstigen Einflüssen nicht stören lassen will, eine IM-Anfrage aber immer noch berücksichtigt wird. Vorraussetzung für all dies ist natürlich, dass man ohne großen Konzentrationsverlust zwischen verschiedenen Themen, Aufgaben bzw. Anforderungen wechseln kann. In der Situation eines Gruppenchats verführen jedoch die geringen Konzentrationsanforderungen leichter dazu, aus einem Gespräch auszusteigen, auch wenn dies vorerst gar nicht die Absicht war.

A7. Wechsel zwischen Kommunikationsmittel (3 Personen)
Durch die hohe Erreichbarkeit scheint der Chat ideal zum Einleiten von Gesprächen. Je nachdem wie sich das Gespräch selbst entwickelt, bleibt man im Rahmen des Chats oder wechselt auf ein anderes Kommunikationsmittel. Die Interviewten spiegeln folglich die Entdeckung von Nardi et al.(2002), wie sie unter Kapitel 6.1.2.1 beschrieben wird, wider.

A8. Kostenvergleich (3 Personen)
Die Kosten von Kommunikationsmittel waren nur bei den Interviewten ein Thema, die sich direkt damit befassen müssen bzw. deren Tätigkeiten damit verbunden sind. Der Programmierer, der nebenbei auch selbständig tätig ist, muss seine eigene Kostenkalkulation erstellen. Der Wissenschaftler arbeitet hauptsächlich an Projekten mit knappem Budget und der Controller beschäftigt sich tagtäglich vorwiegend mit den Firmen-Kosten. Diese drei Personen führten explizit die geringen Kosten als Argument für den Chat an.

A9. Auflauern (3 Personen)
Man möchte ein Chat-Gespräch beginnen und schickt eine Nachricht bzw. Frage weg. Auch wenn die Person gerade nicht anwesend ist (am Computer sitzt), so kann man davon ausgehen, dass sie, sobald sie wieder da ist, die Nachricht sieht. Auf diese Art legt man sich quasi mit der ersten weggeschickten Nachricht „auf die Lauer“ und wartet darauf, dass der Gesprächspartner antwortet. Dieses „Auflauern“ kann dann unangenehm werden, wenn es häufig für das Vergeben von zusätzlicher Arbeit missbraucht wird. Eine derartige Tendenz wird von der Sekretärin angedeutet.

In der zweiten Themenkategorie werden nun drei von mir eingebrachte Fragenbereiche zusammengefasst. Die konkreten Zitate, auf die ich mich dabei beziehe, sind wiederum im Anhang nachzulesen.

B1. Inhalte von Chat-Gesprächen
Wie in der ersten Themenkategorie schon angeführt, behandeln die Interviewten fast ausschließlich kurze Themeninhalte im IM. Diese reichen von kurzen einfachen Fragen über kurze Abstimmungen bis zu Terminvereinbarungen. Nur die beiden Techniker (Programmierer und techn. Kundenbetreuer) haben ein erweitertes Anwendungsspektrum. Für sie läuft die Kommunikation über techn. Details erfolgreich über Chat. Sehr passend finde ich in diesem Zusammenhang die Definition des Education Consultant, der den Chat nur für „scharf abgegrenzte Informationen“ einsetzt. Nur drei der Interviewten (die zwei Techniker und der Wissenschaftler) führen auch Gruppengespräche über ein Chat-Tool. Auch hier wird deutlich, dass nur klar abgegrenzte Inhalte besprochen werden. Dinge wie Aufgabenverteilung, Besprechungen über vorgefertigte Dokumente und Programme, sowie Abstimmungen und Expertisen werden hier erwähnt.

B2. Inhalte die nicht über Chat kommuniziert werden
Sehr klar und deutlich wird hervorgehoben, dass emotionale und persönliche Dinge nicht über Chat kommuniziert werden. Als zweites werden wichtige Dokumentationen genannt, die einer bestimmten schriftlichen Form gerecht werden müssen wie Verträge und Bestellungen. Schlussendlich meint der techn. Kundenbetreuer, dass Gespräche, die zu intensiv und detailreich werden, im Chat abgebrochen und auf eine andere Art und Weise weitergeführt werden. Im Zusammenhang der Gruppengespräche weist der Wissenschaftler ebenfalls darauf hin, dass komplexe, kreative Entwicklungen und Brainstormings nicht über Chat gemacht werden können.

B3. Persönliche Vorstellung vom idealen Chat-Tool
Die Antworten auf diese Frage waren nicht sehr ergiebig. Nur die zwei Befragten (Programmierer und Wissenschaftler), die eine alternative Chat-Oberfläche kennen, stellten intensive Überlegungen an. Ihr idealer Chat basiert auf den Grundfunktionen des factchats (siehe Kapitel 4.4). Sie wünschen sich jedoch beide eine Flexibilisierung der Schreiboberfläche. Individuelle Größeneinstellung und die Aufteilung in verschiedene Kommunikationsbereiche (Räume) werden angeführt. Von den anderen Befragten, die alle nur einen Instant Messenger verwenden, äußerte nur einer einen Wunsch. Dieser beherrscht nämlich nicht das Maschinschreiben und wünscht sich daher Spracherkennung für den Chat. Den Grund für diese geringe Auseinandersetzung mit der Kommunikationsform Chat sehe ich darin, dass sie nur die serielle Form des Chats in der Umgebung eines Instant Messangers kennen und sich auf die Frage „Kann ich den Chat wie er ist verwenden, oder nicht?“ beschränken.

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Author: Astrid Holzhauser; Copyright: Astrid Holzhauser; Published by: Astrid Holzhauser (Astrid_H)
factID: 154875.1; published on 31 May. 2004 11:11
 
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