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6.1.2.2. Neueinführung eines Chat-Tools (IM) in ein Unternehmen
 
Das Hauptmotiv für die Einführung eines Chat-Tools in Firmen basiert vorwiegend auf die immer häufigeren und größeren räumlichen Distanzen zwischen Mitarbeitern. Als Grund dafür sehe ich zwei Entwicklungen. Zum ersten steigt die Mobilität der einzelnen Mitarbeiter durch intensivere Kundenbetreuung vor Ort. Zweitens müssen einzelne Firmenniederlassungen immer stärker zusammenarbeiten um redundante, nicht ausreichend ausgelastete Ressourcen einzusparen. Diese Distanzen wirken sich nicht besonders vorteilhaft auf die Qualität der Arbeit aus. Die Autoren Herbsleb et al. (2002:2) führen dazu in ihrem Artikel vier Hauptprobleme an, die sie aus einer vorangegangen Studie (Herbsleb, 1999-2001) ermittelt haben. Diese sind wesentliche Zeitverluste, vermehrte Schwierigkeiten mit unvorhersehbaren Ereignissen, erschwerte Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit der Kollegen und der Mangel an informeller Kommunikation. Durch die Einführung neuer Kommunikationsmittel sollen diese Probleme verringert werden.

Die Studie von Herbsleb et al. (2002:2) diskutiert vorwiegend drei Punkte, die sich bei der Einführung ihres Chat-Tools herauskristallisierten. Als erstes stellte sich heraus, dass die von Instant Messangern zentrale Funktion der „presence awareness“ (=Anwesenheitsanzeige) zwei Seiten hat. Einerseits sahen viele Mitarbeiter in dieser Funktion den Hauptnutzen des Tools. Andererseits gibt es Bedenken in Hinsicht auf die dadurch mögliche Überwachung der Mitarbeiter. Hier kann es in manchen Ländern Probleme mit dem Arbeitsrecht bzw. mit Betriebsräten geben. Das Team von Herbsleb entgegnete dem Problem in der Art, dass jeder Benutzer selbst entschied, welche Kollegen die eigene Anwesenheit per Chat mitverfolgen dürfen.

Diese Herangehensweise trat jedoch in Konflikt mit der zweiten Problematik der „Kritischen Masse“. Hierbei geht es darum, dass es einer bestimmten Menge von Nutzern bedarf, damit ein interaktives Kommunikationsmittel überhaupt nutzenswert wird. Wenn nun jeder Nutzer seinen Kontaktmöglichkeiten bei jedem einzelnen Kollegen extra anfordern, vergeben und einstellen muss, so ist dieser Nutzer mit einer relativ großen Hürde konfrontiert, die er überwinden muss, bevor er den Chat überhaupt verwenden kann. Wenn durch derartige Hürden die Zahl der Benutzer die Kritische Masse nicht erreicht, ist das Kommunikationsmittel zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Grund hat das Team von Herbsleb Nutzergruppen angelegt. Tritt ein Benutzer einer Gruppe bei, so macht er seinen Anwesenheitsstatus allen anderen Mitgliedern dieser Gruppe zugänglich. Auf diese Weise genügt eine Kontaktaufnahme mit einer Gruppe um den Chat bereits nutzen zu können.

Auch die Autoren Bradner et al. (1999:15) weisen auf das Problem der Kritischen Masse hin. Sie betonen, dass die Komplexität dieses Problems mit der Anzahl der verschiedenen Funktionalitäten einer Software noch verstärkt wird. Jede Funktionalität bedarf einer unterschiedlich großen Kritischen Masse. Ferner sind einzelnen Funktionalitäten voneinander abhängig, so dass die erreichte Kritische Masse einer Funktionalität, durch den Misserfolg einer anderen, nutzlos wird.

Als dritter Punkt erörtern Herbsleb et al. (2002:2) die Bedeutung der informellen Kommunikation. Informelle Kommunikation wird im Unternehmensumfeld nicht als eindeutiger Nutzen bzw. Notwendigkeit definiert. Sie ist vielmehr eine selbstverständliche Nebenerscheinung, deren Abwesenheit sich nicht direkt bemerkbar macht. Wenn Sie nicht spontan stattfindet ist es für die wenigsten verständlich, warum man dafür wertvolle Arbeitszeit vergeuden soll, geschweige denn extra ein spezielles Kommunikationsmittel dafür zu verwenden oder anzufordern. Informelle Kommunikation hat aber sehr wohl eine Bedeutung für wirtschaftlichen Erfolg. Die bei fehlender informeller Kommunikation entstehenden Konflikte werden in den seltensten Fällen auf mangelnde soziale Interaktion zurückgeführt. In den bereits erwähnten vorangegangen Studien (Herbsleb, 1999-2001) ging klar hervor, dass es viele Spannungen zwischen räumlich getrennten Mitarbeitern gibt. Die wenig vorhandene Kommunikation ist sehr leicht zu gefährden. Einmal aufgetretene Kommunikationsprobleme führen zu einer zusätzlichen Verringerung der Kommunikation. Lernen sich räumlich entfernte Kollegen persönlich kennen nehmen Kommunikationskonflikte jedoch wesentlich ab. Herbsleb et al. (2002) führt in diesem Zusammenhang die Erkenntnis von Jones & Nisbett (1972) an. Diese beschreiben das Phänomen, dass Beobachter von Aktionen dazu tendieren, die Aktionen auf die Persönlichkeit des Akteurs zurückzuführen, statt auf dessen Situation. Akteure hingegen tendieren dazu ihr Verhalten als Produkt ihrer eigenen Situation zu sehen.

Schlussendlich führte Herbsleb et al. Von den Mitarbeitern genannte Gründe für die Nichtnutzung des Chat-Tools an. Einige Mitarbeiter konnten keinen Bedarf für ein derartiges Kommunikationsmittel feststellen. Für Ihre Kommunikationszwecke waren Telefon und E-Mail völlig ausreichend. Andere konnten sich mit dem Kommunikationsstil eines Chats nicht identifizieren. Schlussendlich gab es auch Mitarbeiter, die den Chat nur als zusätzliche Störungsquelle, die sie von der „richtigen“ Arbeit abhaltet, betrachteten.

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Author: Astrid Holzhauser; Copyright: Astrid Holzhauser; Published by: Astrid Holzhauser (Astrid_H)
factID: 154863.2 (...history); published on 31 Mai. 2004 12:15
 
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